"Ohne Geld geht es nicht"

Interview mit Schwester Miriam Altenhofen über ihre neue Aufgabe im Ethik-Ausschuss der Steyler Ethik Bank. Die 62-Jährige leitet seit 2022 als Generaloberin die weltweite Kongregation der Steyler Missionsschwestern: So denkt die Ordensfrau über die Welt der Finanzen ...

Schwester Miriam Altenhofen, Generaloberin der Steyler Missionsschwestern, besucht Ordensangehörige in Timor-Leste

Wir freuen uns sehr, dass Sie den Ethik-Ausschuss der Steyler Ethik Bank verstärken. Welche Impulse werden Sie aus Ihrer beruflichen und persönlichen Erfahrung einbringen?

Als Leiterin einer weltweiten Kongregation mit 2.890 Ordensschwestern habe ich praktisch täglich mit Finanzen und Investments zu tun. Ich trage die Verantwortung für eine Gemeinschaft, die in 48 Ländern tätig ist. Wir Steyler Missionsschwestern gehen mit Geld auf einer Wertebasis um. Daher investieren wir nur in ethisch vertretbare Anlagen. In den Ethik-Ausschuss bringe ich mich also zum einen als Ordensfrau ein, die für christliche und ethische Werte steht, und zum anderen mit meiner Fachkompetenz als Leiterin einer internationalen Gemeinschaft, die das Wohl der Menschen an erste Stelle stellt, nicht den Profit.

Ordensmänner und -frauen verpflichten sich auf ein Leben in Armut. Dass die Steyler Missionare eine Bank gegründet haben, ist daher eine spannungsreiche Verbindung. Wie ist ihr Verhältnis zu Geld und der Welt der Finanzen?

Auch wenn ich mich persönlich für ein einfaches Leben entschieden habe und keinen Reichtum suche: Ohne Geld geht es nicht. Meine Kongregation engagiert sich rund um den Globus. Wir betreiben Kliniken, Schulen und Sozialprojekte. Wir stärken die Selbstkompetenz und die Rolle von Frauen. Wir fördern den sozialen Zusammenhalt und gestalten an vielen Orten die Zukunft mit – in erster Linie von armen Bevölkerungsgruppen, für die wir uns einsetzen. Das geht nur mit den entsprechenden finanziellen Mitteln.

Verraten Sie uns etwas über Ihr familiäres Umfeld?

Gerne. Aufgewachsen bin ich in der Nähe von Trier auf einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb. Ich bin von klein auf einen praktischen Umgang mit Geld gewohnt. Für mich war immer klar, dass man nicht mehr ausgeben kann, als man hat. Meine Eltern haben mir schon früh Verantwortung übertragen. So durfte ich zum Beispiel schon mit 16 Jahren Schecks ausstellen und half bei der Abrechnung. All dies hat mich sehr geprägt und ein Grundverständnis dafür geschaffen, dass man im Leben gut und solide wirtschaften muss.

Wie kam es dazu, dass Sie Missionarin wurden?

Wir hatten mehrere Zeitschriften der Steyler Missionare abonniert, unter anderem die Jugendzeitschrift „17“. So erfuhr ich von einem Pfingstreffen in Steyl. Dieses Treffen war für mich ein großes Ereignis. Dort traf ich viele junge Menschen, die wie ich auf der Suche waren. Ich hatte damals im Kopf, Ärztin in der Entwicklungshilfe zu werden. Ich war neugierig auf andere Kulturen, wollte andere Länder kennenlernen. Von diesem Traum erzählte ich dem Steyler Missionar Pater Hagemeyer: Der sagte nur: ‚Komm doch zu uns nach Indien.‘ Und so lebte ich eine Zeit lang in einem indischen Ashram. Ich besuchte in dieser Zeit viele Steyler Missionsstationen. So lernte ich viel über das Leben der Menschen. Dabei wurde ich auch mit extremer Armut und Krankheit konfrontiert, zum Beispiel in den Leprastationen. Diese Zeit in Indien hat mich tief beeindruckt und geprägt.

Wie ging es weiter?

Nach meiner Rückkehr hatte ich sehr damit zu kämpfen, wie viel Überfluss und Verschwendung es in Deutschland gibt. So wollte ich nicht leben, und stattdessen mein Leben mit einfachen Mitteln gestalten. Ich beschloss Steyler Missionsschwester zu werden. Nach meinem Studium der Pastoraltheologie ging ich in die Mission. In Botswana unterrichtete ich an der Schule Religion und war als Jugendkoordinatorin für unsere lokalen Programme verantwortlich. Im Anschluss studierte ich in Rom Psychologie und Psychotherapie. Es folgten berufliche Stationen als Leiterin der Ordensausbildung in Österreich, wir nennen dies Noviziat, sowie als Pastoralpsychologin in Freiburg, wo ich Priester und Priesteramtskandidaten begleitete.

Doch schon bald übernahmen Sie Führungsaufgaben im Orden …

Ja, richtig. 2004 haben wir drei deutschsprachige Provinzen zusammengelegt. Als Provinzoberin habe ich neun Jahre lang diesen spannenden Prozess begleitet und viele Struktur- und Finanzfragen regeln müssen. Nach einer kurzen Auszeit wurde ich dann in den Generalrat in Rom gewählt, wo ich weitere acht Jahre tätig war. In dieser Zeit habe ich die Provinzen bereist und die Situation in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas kennengelernt. Der Generalrat begleitet die Arbeit der Schwestern sehr intensiv. Bei unseren Reisen geht es unter anderem darum, die Entwicklung der einzelnen Standorte strategisch zu begleiten. 2022 wurde ich dann zur Generaloberin gewählt. Nun leite ich dieses sechsköpfige Team, dem Schwestern aus Indonesien, Indien, Argentinien, Chile und der Slowakei angehören.

Die Spannung zwischen Reichtum und Armut begleitet Sie Ihr ganzes Leben. Wie gehen Sie als Steyler Missionarin damit um?

Geld an sich ist ja nichts Schlechtes. Als Ordensgemeinschaft tragen wir die Verantwortung für viele Schwestern. Ich denke nur an all die jungen Frauen in Ländern wie Indonesien und Timor-Leste, die in den Orden eintreten und eine Ausbildung brauchen. Um sie müssen wir uns kümmern. Das geht nur, wenn wir klug mit unseren Mitteln umgehen. Wir Steyler Missionsschwestern leben ein Solidarsystem. Provinzen mit mehr Mitteln geben eine Abgabe in unseren „Solidaritätsfonds“, aus dem wir dann diejenigen unterstützen, die Bedarf haben. So versuchen wir, einen Ausgleich zu schaffen und die Kluft zwischen Arm und Reich, auch innerhalb der Kongregation, zu verringern. Zugleich legen wir aber Wert darauf, dass jeder sein Bestes gibt, um für sich selbst zu sorgen und finanziell möglichst unabhängig zu werden. In vielen Ländern ist dies durch Institutionen und kleine landwirtschaftliche Projekte möglich.

Vielen Dank für das Gespräch.